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Zusammenfassung

Zu den selbstverständlichen Fähigkeiten unseres Sehsystems zählt, dass wir Objekte als die selben wiedererkennen können, auch dann, wenn wir sie in einer anderen Entfernung sehen und dadurch auf unserer Netzhaut ein anderes (kleineres bzw. größeres) Bild entsteht. Diese Fähigkeit wird als Größen- bzw. Entfernungs-Invarianz bezeichnet, und es ist noch unklar, wie das Gehirn dies leistet. Die Information des Netzhautbildes gelangt auf dem sogenannten primären Sehpfad zunächst in eine Verarbeitungsstelle im Zwischenhirn, dem visuellen Thalamus (Corpus geniculatum laterale), und von dort in den primären Sehkortex. Dessen Neuronen reagieren selektiv auf visuelle Reizung mit periodischen Gittermustern, wobei die Stärke der Reaktion empfindlich von der Orientierung und der Ortsfrequenz der Gitter abhängt. Daher werden die Neuronen des primären Sehkortex als Detektoren für die Orientierung von Konturen und auch als räumliche Filter beschrieben, die nur auf bestimmte Ortsfrequenzen reagieren, auf andere dagegen nicht. Damit ist die Vorstellung verknüpft, dass im primären Sehkortex auch eine räumliche Spektralanalyse des Netzhautbildes stattfindet. Das bedeutet, dass das Netzhaut-Bild bezüglich seiner Ortsfrequenz-Komponenten analysiert wird. Eine Modellvorstellung, wie das Sehsystem Größen-Invarianz leisten könnte, basiert auf dem Umschalten verschiedener Ortsfrequenz-Filter bei Änderung des Objektabstandes (und damit seiner retinalen Größe). Bei elektrophysiologischen Experimenten, mit denen solche Modellvorstellungen überprüft werden sollen, ist es notwendig, die Signale der abgeleiteten Neuronen hinsichtlich ihrer Empfindlichkeit für verschiedene Ortsfrequenzen und Orientierungen zu charakterisieren. Ziel dieser Arbeit war es, als eine solche Voruntersuchung die Ortsfrequenz- und Orientierungs-Charakteristik von Neuronen des primären Sehkortex bei Makaken zu bestimmen. Dazu wurden die neuronalen Antworten auf lokal begrenzte Sinusgitter mit unterschiedlicher Ortsfrequenz, Orientierung und räumlicher Phasenlage analysiert. Zunächst wurde eine Methode verwendet, bei der pro Einzeldurchgang nur ein einzelner Reiz eingeblendet wird. Für eine Voruntersuchung ist dies jedoch sehr zeitaufwendig. Deshalb wurde zusätzlich eine Methode getestet, bei der viele Reize in schneller Abfolge gezeigt werden. Der Vergleich der mit beiden Methoden bestimmten Vorzugs-Ortsfrequenzen und -Orientierungen zeigte, dass die schnelle Methode für eine grobe Klassifizierung ausreicht. In künftigen Experimenten kann diese zeitsparende Methode eingesetzt werden, um die Ortsfrequenz- und Orientierungs-Charakteristik der abgeleiteten Neuronen zu bestimmen. Meine Untersuchung des Zeitverlaufs der neuronalen Antworten ergab, dass Reize mit hohen Ortsfrequenzen auf einem langsameren Verarbeitungsweg übertragen werden. Meine Ergebnisse weisen auch darauf hin, dass die Filter-Charakteristik im primären Sehkortex wahrscheinlich durch unterschiedliche Vorwärts-Verschaltungen erzeugt wird und nicht erst durch intrakortikale Rückkopplungen.
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Frank Michler 2003-04-15